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Warum wir uns kurz vor den Sommerferien für Homeschooling in einer Kleingruppe entschieden haben

  • Tina Haldi
  • 6. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

Eigentlich dachten wir, wir hätten alles rechtzeitig vorbereitet. Das freiwillige Kindergartenjahr stand bevor, wir hatten die Diagnose offen kommuniziert, Gespräche geführt und das nötige Wissen frühzeitig an die zuständigen Stellen weitergegeben. Und doch: Der IF-Status wurde nicht beantragt – obwohl die Schule über die Autismus-Diagnose und den Förderbedarf Bescheid wusste, es wurde nicht realisiert das es so schlimm ist?!


Diese Erfahrung hat in uns einiges ausgelöst. Und spätestens am Schnuppermorgen wurde spürbar, dass das Setting für unsere Tochter einfach (noch) nicht oder nicht passt.

Sie war neugierig, wollte sich einbringen – doch gleich beim ersten Mal, als sie eine Frage beantworten wollte, wurde sie ignoriert, weil sie nicht „gestreckt“ hat sondern direkt geredet. Es wurde weder erklärt, warum das wichtig ist, noch gab es Verständnis dafür, dass Kinder im Autismus-Spektrum oft Schwierigkeiten haben, nonverbale Hinweise oder implizite Regeln zu erkennen. Das wiederholte sich.

Nach diesem Moment war ihre Begeisterung weg. Sie sagte nichts mehr.

Niemand bemerkte, dass sie überhaupt die Einzige der neuen Kinder war, die sich beteiligt hatte. Es wurde offenbar davon ausgegangen, dass sie sich „abschauen“ würde, wie es läuft – eine Strategie, die bei autistischen Kindern schlicht nicht aufgeht.


„Zu oft höre ich solche Geschichten“

Ich begleite viele Familien mit neurodivergenten Kindern. Und ich muss ehrlich sagen: Diese Erfahrung war leider keine Ausnahme. Ich höre so viele Berichte von Kindern, die bereits im Kindergarten oder in der Primarschule überfordert oder missverstanden werden. Autistische Burnouts bei Kindern sind kein Randphänomen mehr und das in diesem jungen Alter!


Wir wollten es nicht so weit kommen lassen. Also entschieden wir uns, genauer hinzuschauen. Und fanden in wenigen Tagen heraus, wie vielfältig Homeschooling eigentlich sein kann.


Begegnung auf Augenhöhe

Über die wunderbare Vanessa Kleeb von naturessa.ch – die ich euch sehr empfehlen kann – erhielten wir nicht nur umfassende Informationen, sondern auch Hoffnung. Und wie wenn es so sein sollte, fanden wir in wenigen Minuten eine Lehrperson ganz in unserer Nähe.

Diese unterrichtet eine kleine Gruppe von vier Kindern. Wir durften vorbeigehen, Fragen stellen, ins Gespräch kommen. Es war persönlich. Es war ehrlich. Es war sicher.


Natürlich gibt es noch viele offene Punkte – Kosten, Rahmenbedingungen, langfristige Perspektiven. Aber allein die Erfahrung, dass es Alternativen gibt, die sich richtig anfühlen, war für uns als Familie schon eine grosse Entlastung.


Angst statt Unterstützung?

Was mich sehr beschäftigt: In der Begleitung vieler Familien höre ich immer wieder von Druck, Drohungen und Angstmacherei. Wenn Eltern nicht „spuren“ und das Kind zur Schule schicken, werde mit der KESB gedroht. Dabei ist die KESB ein Hilfesystem – kein Druckmittel.

Ich finde, so etwas darf nicht passieren. Klar, es gibt auch bei der KESB schwierige Erfahrungen. Aber Angst sollte nie das Werkzeug sein, das man als Fachperson einsetzt.


Was ich auch kritisch sehe: Von Homeschooling-Lehrpersonen wird häufig erwartet, dass sie Kinder im Autismus-Spektrum besonders bedürfnisgerecht begleiten können. Doch ganz ehrlich – sollte das nicht auch im Regelsystem selbstverständlich sein? So im Sinne die Regelschule macht das?!


In einem kleinen, feinfühligen Setting mit Verständnis und Klarheit ist so viel mehr möglich. Ich frage mich oft: Wo werden Kinder mit Autismus im Regelsystem wirklich so begleitet, wie es zu ihrer Diagnose und ihren Bedürfnissen passt? Ich kenne wenige Orte.


Unser Weg – und vielleicht auch deiner?

Wir haben uns entschieden, unsere Energie lieber in ein unterstützendes Lernumfeld zu investieren als gegen ein System zu kämpfen, das für viele Kinder einfach (noch) nicht oder gar nicht passt.

Klar, auch Homeschooling ist kein Spaziergang: Es gibt viele Fragen rund um Finanzierung, Organisation und rechtliche Absicherung. Aber es gibt auch Lösungen:

  • Anstellung als pflegende Angehörige

  • Hilflosenentschädigung

  • Abzug der Kosten über die Steuererklärung

Es braucht Mut, Geduld und Vernetzung. Aber ich glaube: Es lohnt sich.

Homeschooling ist kein Rückzug. Es ist ein aktiver Entscheid – für Sicherheit, für Verständnis, für echte Entwicklung. Es ist nicht ein gegeneinander ausspielen, sondern eine andere Möglichkeit für andere Bedürfnisse.



 
 
 

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